Röde Orm als Mauseloch – Gastbeitrag

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© Stefan Conrad

Röde Orm als Mauseloch

von Stefan Conrad

Am nächsten Morgen wiederholt Julita hartnäckig ihre Aussage, dass sie eine Maus an Bord gesehen hat. Der Kpt. bekommt ne Gänsehaut und guckt der Kleinen nochmal tief in die Augen – „bist Du sicher?“ – „Ja – Papa – die war ganz niedlich und klein“.

Auch Annika findet, das Mäuse durchaus niedliche Haustiere sind UND die erste Offiziöse kann die Angst in den Augen des Kptn. auch nicht so ganz verstehen… Sie hatte als Kind ein Terrarium voller Wüstenrennmäuse.

Der Kpt. ist am Ende. Hier gibt es ein Problem. Drei Frauen die Mäuse toll finden, eine Maus und ein Kpt. mit Mauseangst.

Die erste Offiziöse lässt sich später unter vier Augen allerdings doch davon überzeugen, dass die Maus wieder von Bord muss – tot oder lebendig, jawoll. Der Kpt. tendiert allerdings eher zu tot.

Die Mausejagd beginnt. Alle Backskisten werden ausgeräumt und evtl. vorhandenen Fluchtlöcher mit Papier zugestopft. Die Jagd endet unterm Wassertank. Wir vermuten sie hat sich unter ihm verschanzt. Eine letzte Warnung gibt es noch, dann wird das Vorschiff mit dem Wasserschlauch geflutet, aber keine Maus ergreift die Flucht. Wir haben es hier wohl mit der Portosantianischen Unterwasserschwimmmaus zu tun.

Das Schiff ist nun zwar sauber und alles ist wieder in den Kisten, aber die Maus haben wir nicht gefunden – nur – leider – ihre Ködel. Also wir haben wohl tatsächlich so ein Tier an Bord. Wir haben den ganzen Tag im Schiff verbracht und es einmal umgestülpt und uns mal wieder gewundert, wie viel Kram hier so reingeht.

Dann werden härtere Geschütze aufgefahren: Giftköder.

Schluss mit Lustig!

Bei der Gelegenheit werden auch gleich die Giftköder für die Kakalaken in einigen Ecken des Schiffes deponiert – man weiß ja nie.

Mit dem Dunkelwerden ist jede Backskiste ausgewischt und gut sortiert wieder eingeräumt.

Der Abend rettet den Tag durch eine Caipiparty. Olaf von der Sophie mixt Caipis auf der Tamora. Für die Kinder gibt’s Alkoholfreie.

Der nächste Abend ist mal wieder ganz der Maus gewidmet. Julia liest Fabeln vor, da trappelt es im Bücherschrank. Wir räumen also mal wieder aus. Und stellen über Nacht Flaschendeckel mit Mäusegift im Schiff auf. Die arme Maus! Denkt jetzt gibt’s n Festmahl und es wird eine Henkersmahlzeit.
Morgen wollen wir den Hafen verlassen und uns auf den Weg nach Madeira machen. Wind und Wetter passen (wie immer) sehr gut dafür, die Seekarten und Hafenpläne sind studiert. 35 sm, das heißt 7 Stunden auf dem Wasser. Da muss doch noch vorher das Vitamin C hervorgeholt werden, wenn sie die Maus nicht die Teile geschnappt hat.
Wird auch echt Zeit. Es ist wie Spinnweben ansetzen, zu lange in einem Hafen zu bleiben. Und irgendwann fangen die Spinnweben an, an einem zu zerren und man wird träge und es fällt immer schwerer abzulegen. Unser Schiff hat die letzten Tage einzig als Wäscheleine fungiert. Badesachen waren die einzigen Klamotten in Benutzung und die hingen immer zum Trocknen draußen auf Reling und Vorschot.
Um 12 Uhr war endlich alles im Schiff wieder seefest verstaut und wir konnten ablegen (mit Mann und Maus).

Am Abend in Quinta do Lorde kommt die eigentlich ja schon vergiftete Maus wieder. Sie sitzt auf dem Bücherregal und guckt Julita interessiert über die Schulter bis Anni sie entdeckt und alle sich erschrecken incl. der Maus. Anni ist ganz aufgeregt. Die Maus ist so niedlich und klein und braun und hat so runde Ohren. Die Kinder räumen das Regal aus und versuchen sie zu finden. Julita guckt in den Becher – vielleicht ist sie da drin – ne – doch nicht – schade.

Der Kpt. sitzt verkrampft im Cockpit und versucht sich mit seinem Handy abzulenken. Die Umgebung wir dabei penibel aus dem Augenwinkel beobachtet. Bei dem kleinsten Kratzer oder Raschler werden alle Muskeln angespannt und die Extremitäten eingezogen – Gänsehaut. Wie soll der Kptn. bloß die Nacht verbringen. Der eine Caipi reicht nicht um die Nerven zu beruhigen…. Wir sollten ne Mäusenachtwache einführen. Jedenfalls darf der Kpt. nicht mit der Maus alleine an Bord zurückgelassen werden. Eine Bewachung muss immer vorhanden sein – Julia muss die Kinder abwechselnd auf die Toilette begleiten… *ggg*

Am Sonntag lebt die Maus noch immer.. – sie mag wohl den Giftweizen.

Und dann muss der Kpt. auch noch mit Schrecken feststellen, dass die Crew der H-H-H sich ja wohl ganz offensichtlich über ihn lustig macht indem sie Riesenmäuse baut – Frechheit.

In Quinta do Lorde haben wir alles erledigt, was zu erledigen ist – wir legen ab und düsen an der Küste von Madeira entlang Richtung Funchal.
Kaum sind die Segel oben, werden wir von allen Seiten gerufen. Von der Sophie, die schon in Funchal ist und von der Tamora, die von Porto Santo auf dem Weg nach Funchal ist. Es scheint also heute in Funchal wieder eine große Jettyparty zu steigen.

Die Crew der Sophie redet erbarmungslos auf den Hafenmeister ein, bis dieser endlich für Röde Orm und Tamora zwei Plätze an Stegen abgibt, damit wir nicht im Päckchen liegen müssen…

Die Überredungsargumente der Sophie sind nicht ganz klar… Der Kpt. kann nur Vermutungen anstellen.

Für die Röde Orm: Kleines Schiff mit 2 Erwachsenen und 2 Kindern an Bord, Nagetierbefall und zuwenig Kojen, so dass abwechselnd geschlafen werden muss…
Für die Tamora: Großes Schiff, hat als einziges noch deutsche Flensreserven an Bord und muss aus Sicherheitsgründen einen guten Platz bekommen, möglichst nahe neben Sophie und Röde Orm – zur Bewachung, versteht sich.

Des Kptn’s erster Gang an Land: Supermarkt – Mausfalle – Klar soweit.

Am nächsten morgen geht der erste Blick der Frühaufsteheroffiziöse in die Backskiste … Die Maus ist in der Falle!
Der ersten Offiziöse kullert eine Träne über die Wange – „Die sieht ja fast genauso aus, wie eine Wüstenrennmaus! – Schluchz“. Die Maus bekommt kurzer Hand eine ordentliche Seebestattung die Panflötennerver an Land bringen uns in die richtige Stimmung.

Frühstück, Maus und aus!

Text: © Stefan Conrad

Bildquelle: Stefan Conrad