Der Mensch und seine Sachen: Sonntags mitten in Ithaki. Oder: Wie es Euch gefällt. – Gastbeitrag

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© Thomas Käsbohrer, www.marepiu.blogspot.de

Der Mensch und seine Sachen: Sonntags mitten in Ithaki. Oder: Wie es Euch gefällt.

von Mare Più – Thomas Käsbohrer

Als ich am frühen Morgen, neben zwei, drei anderen Segelyachten in der einsamen Bucht im Osten der Insel Ithaki ankernd aufwache, schleicht sich eine dieser großen Megayachten mit brummenden Motoren leise herein, wirft die beiden Anker und macht nach einer gekonnten Drehung mit dem Heck per Landleine an den Felsen 50 Meter von mir fest. Früher war mir die unmittelbare Nähe solcher Motoryachten ein Greuel: Die Klimaanlage ratterte und blubberte die ganze Nacht, Scheinwerfer unter und über Wasser erhellten die Nacht. Aber mittlerweile bin ich froh, wenn sich so eine Yacht neben mich legt, oft suche ich sogar die Nähe der Motoryachten. Es hat handfeste Vorteile: Sie werden meist von Berufs-Seeleuten gesteuert, die wissen, was sie tun. Und man weiß wiederum von ihnen, WAS und WIE sie’s tun. Die Eigner sind häufig angenehme Leute, die oft genauso wie ich nichts anderes als die Stille suchen. Von gelegentlichem Wasserskifahren abgesehen…, aber da das anstrengend ist: ist nach 10 Minuten der Schabernack vorbei. Und noch ein Vorteil: Andere Motorbootfahrer, die Leute, die sich für einen Nachmittag ein Motorboot leihen, und Chaos-Segler, die beim Einlaufen in die Bucht schon sämtliche Fender raushängen, wo sie in dieser Situation so nützlich sind wie von der Bordwand hängende Knoblauchknollen, meiden die Nähe dieser großen Schiffe. Sie haben irgendwie Angst vor ihnen. Und legen sich lieber ganz woanders hin. Denn meistens halten sie es für angebracht, in der weiten, weiten Bucht, in der 900 Meter Platz ist, ihren Anker zwei Meter vor Levjes Bug zu werfen.

Also bin ich erfreut über Jovy, so heißt die Yacht unter englischer Flagge rechts neben mir. Und schwimme rüber zum einsamen Strand, um den Morgen auf den warmen Steinen zu begrüßen.

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© Thomas Käsbohrer, www.marepiu.blogspot.de

Tatsächlich sind die sechs bis acht Leute von der Jovy ein ausgesprochen angenehmes Völkchen. Ein Herr und eine Dame schwimmen leise sprechend an mir vorbei, angenehme Stimmen, sehr kultivierte Griechen, im Auge nicht Gier, sondern Geist. Eine Stimme wie eine Opernsängerin. Als dann noch ein korpulenter Herr ins Wasser steigt und mit wiegenden Bewegungen langsam Richtung Strand rudert, beschließe ich, dass er unbedingt Operndirektor sein müsse. Und er und der Rest Kulturschaffende beim Rundfunk in Athen sind, die eine Woche zusammen verbringen, um das Räderwerk nützlicher Verbindungen aufs Angenehmste zu ölen. Bühne frei, Vorhang auf!

Im nächsten Akt sind zwei Besatzungsmitglieder mit Boot unterwegs, um die erforderlichen Gizmos für den Strandaufenthalt von Madame an den Strand zu schaffen. Wie auf dem obersten Foto erkennbar, sind dies: 1 Sonnenschirm, fachkundig in den Boden gerammt. 1 Liegestuhl, aufgebaut. 1 roter Bademantel darüber gebreitet. Weitere Gizmos: 1 Strandtasche, griffbereit danebengestellt. Als die Bühne bereitet ist, fehlt nur noch eins: Madame. Die lässt sich aber Zeit.

Derweil ist’s Mittag. Auf Jovy werden Vorbereitungen fürs Mittagsmenü getroffen. Und während ein Kellner in weißem Hemd und schwarzer Fliege dem Operndirektor die Menüvorschläge nebst Weinkarte erläutert, läuft zu meiner Linken ein Boot mit der großen Aufschrift GLAS BOTTOM ein. Voll mit Studenten, Pärchen, Familien mit Kindern. Ein buntes Völkchen betritt die Bühne von links, das wie auf Kommando von allen Seiten ins Wasser hüpft. Ein Heidenspaß, und ein bisschen Discomusik ist auch dabei. In die leere Bucht ist das Leben zurückgekehrt.

Zu meiner Rechten werden derweil die Drinks gereicht und „Stuzzicherie“. Ich nehme die Herausforderung auf Levje an, gehe nach unten, mixe mir im GRÖSSTEN Glas den GRÖSSTEN Gin Tonic und pappe, damit man das auch auf 50 Meter Entfernung gut erkennen kann, eine halbe Zitrone ans eiskalte Glas. Dann nehme ich locker in Levjes Plicht Platz und lese demonstrativ Zeitung. Weil ich keine andere an Bord habe, die vom letzten Oktober. Und weil mich der Übermut zwickt, proste ich über meinen Brillenrand hinweg nach Rechts dem Operndirektor zu.

Derweil hat man zu meiner Linken eine Mordsgaudi. Einige Verwegene schwimmen zum Strand, andere schnorcheln, aber das Gros des Völkchens entfernt sich sicherheitshalber nicht weiter als 2,50 m von der Leiter vom Boot mit der Aufschrift GLAS BOTTOM. Die Leute haben ihren Spaß.

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© Thomas Käsbohrer, www.marepiu.blogspot.de

Zu meiner Rechten rückt derweil der Moment des Aufbruchs heran. Noch während der Kellner die Spaghetti mit Hummer auftischt, gehen auf einen Wink des Tischherrn zwei Mann Besatzung ins Beiboot, lösen die Landleine, und Jovy holt klirrend ihre Anker hoch. Und entfernt sich langsam. Aber auch zu meiner Linken wird den Badefreuden ein Ende bereitet: Eine Hupe ertönt drei Mal röhrend, eilends machen sich die Schwimmer auf den Weg zur Leiter, auch die 2,50 m entfernten. Denn von Robinson Crusoe hat jeder schon mal gehört, und Tom Hanks in seiner Paraderolle als Schiffbrüchiger in „Cast Away“ steht jedem drohend vor Augen. Es ist nicht schön, auf einer einsamen Insel vergessen zu werden.

Und so bin ich denn nach einer Weile wieder allein mit Levje und mir und dem leeren Glas, in der weiten Bucht von Ithaki.

Text: © Thomas Käsbohrer, www.marepiu.blogspot.de

Bildquelle: Thomas Käsbohrer